Der Mythos vom anstrengungsfreien Sport

Er quält seinen Körper. Schweiß tropft von der Stirn, die Atmung geht immer schneller. Die Muskulatur brennt und ein Ziel ist immer noch nicht in Sicht. Endlich erblickt er die letzten Stufen der Treppe. Geschafft, er ist im dritten Stock angelangt. Erstmal stehen bleiben und durch Schnaufen. Allein die Vorstellung sich freiwillig zum Sport zu quälen schreckt ihn ab. Bei den anderen sieht es immer so einfach und locker aus. Und er schnauft lauter als jede Dampflock. Die große Angst vor der Anstrengung.

Anstrengung ist notwendig für unsere Körper und unsere Gesundheit. Anstrengung beim Sport bedeutet aber nicht, dass man am Ende unter einem Sauerstoffzelt landet.

Diese Person übersieht einen ganz natürlichen Mechanismus. Und zwar, das Prinzip der Anpassung unseres Körpers und seiner Leistungsfähigkeit an unsere Lebensumstände. Unser Organismus befindet sich in einem ständigen Umbauprozess und Anpassungsprozess. Und der Erfolg ist unter anderem davon abhängig was man ihm bietet.

Merken Sie sich, Bewegung und Sport führt immer irgendwann zu einer Anstrengung. Und diese Anstrengung ist wichtig und richtig. Entscheidend ist, dass das in die Handlung kommen nicht anstrengend ist. Es soll Ihnen leicht fallen, z.B. die Schuhe anzuziehen und Laufen zu gehen.

Auch ein Spaziergang wird irgendwann anstrengend. Und zwar immer dann, wenn man seinen Körper über sein individuelles gewohntes Maß hinaus fordert. Im Prinzip ist das System sehr einfach.

„Sie müssen den Grill heiß machen, damit das Fleisch darauf braten kann“

Schon vor über 100 Jahren hat ein Mann namens Wilhelm Roux Beobachtungen in unserem Körper aufgeschrieben und Gesetzmäßigkeiten festgestellt. Unser Organismus versucht in einem möglichst gleichbleibenden Zustand der Leistungsfähigkeit zu verharren. Diese Gleichgewicht der Ausgangssituation in der sich der Körper befindet wird Homöostase genannt. Aber, wenn ich meinen Körper Reize zufüge, dann reagiert er mit Anpassung. Und je nachdem wie intensiv die Reize sind, ist die Anpassung unterschiedlich. Wir sprechen hier von der Reizstufenregel.

  • Unterschwellige Reize: Die Anforderungen an meinem Körper sind unterhalb meiner Ausgangsituation. Es kommt zu einer negativen Anpassung. Der Organismus baut ab.
  • Leicht überschwellige Reize: Die Anforderungen an meinen Körper sind leicht über meiner Ausgangssituation. Es kommt zu einer leichten positiven Anpassung.

In der Regel führen das tägliche Leben, dass jeder führt zu einem Wechselspiel zwischen leicht unterschwelligen und leicht überschwelligen Reizen. Das Pendelt sich dann als Ausgangsniveau ein. Erst bei länger bei haltenden Veränderungen kommt es zu einer dauerhaften Anpassung.

  • Stark überschwellige Reize: Die Anforderungen an den Organismus werden sind so stark, dass es zu einer physiologischen Anpassung kommt. Der Körper baut auf. Wenn man die ersten Male trainiert, spürt man diese Situation anhand von Muskelkater. Es reichen aber auch Belastungen aus, die für einen mittel anstrengend sind.
  • Zu starke Reize: Diese führen dazu, dass der Organismus überlasset wird und langfristig an Leistungsfähigkeit verliert. Auch Verletzungen können die Folge sein.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass der Organismus immer in einem Wechselspiel aus Anstrengung und Regeneration funktioniert. Außerdem verschwindet jede Anpassung, wenn man die angeforderten Reize nicht regelmäßig wiederholt. Negativ als auch positiv.

Lassen Sie es mich an folgendem Beispiel erklären. Unser Körper bleibt in dem Leistungszustand, in dem ich Ihn begebe. Wenn ich den ganzen Tag am Schreibtisch sitze, dann kann ich die Belastung am Schreibtischsitzen aushalten ohne groß Energie aufwenden zu müssen. Es wird aber nicht möglich sein, ohne große Anstrengung mit dem Fahrrad 10 Kilometer zu fahren. Für jemanden, der Bettlägerig ist, wäre das Sitzen schon eine starke Anstrengung. Sie merken also schon, der Mensch ist sehr individuell. Jetzt kann ich aber mein Ausgangsniveau verändern. Durch eine höhere Aktivität kann ich meinen Organismus soweit bringen, dass die 10 Kilometer gemütlich Fahrrad fahren, nicht mehr so anstrengend sind. Leider geht es auch andersherum. Angenommen man hat einen Unfall und muss mehrere Tage und Wochen im Krankenhaus liegen. Dann wird irgendwann auch das Sitzen anstrengend.

Der Körper ist ein bisschen wie ein Stück Fleisch. Natürlich Bio und aus artgerechter Haltung… Oder auch ein Kuchen, wenn Ihnen diese Vorstellung lieber ist.  Wenn ich dieses Fleisch essen möchte, dann muss ich es Zubereiten. Genau so muss ich den Kuchen backen.

Also ist der erste Schritt den Grill bzw. den Backofen anzumachen. Den eins ist klar, auf einem kalten Grill, lässt sich das Fleisch nicht braten und der Kuchen wird in einem kalten Ofen nicht Backen.

Das Fleisch und der Kuchen würden einfach so bleiben, wie sie sind. Langfristig würden sie sogar verschrumpeln und kaputt gehen. Übertragen auf uns Menschen bedeutet das: Um aus dem aktuellen Zustand raus zu kommen, müssen wir unseren Körper bewegen. Das ist der Grill. Wir müssen ihn aktivieren und anstrengen. Und zwar über das bekannte aktuelle Maß hinaus. Wenn ich also das Fleisch braten möchte, muss der Grill heiß sein. Achtung, nicht zu heiß, sonst verbrennt es. Das passiert bei uns, wenn wir zu schnell zu viel wollen.

Anstrengung ist ein subjektives Gefühl und tritt bei jedem zu einem anderen Zeitpunkt auf.

Und das führt zur Anstrengung. Anstrengung ist ein subjektives Gefühl. Jeder empfindet es zu einem anderen Zeitpunkt, bei einer anderen Beanspruchung. Messbar können wir das durch die subjektive, aber auch objektive Wahrnehmung (Herzfrequenz, Laktat, VO2max…) machen. Und wird vergleichen es mit der erbrachten Zeit, Strecke, Gewicht, Leistung (Watt), Geschwindigkeit.

Das großartige ist, je niedriger das Leistungsniveau umso geringer können diese „überschwelligen Reize“ sein, um positive Veränderungen herbei zu rufen. Wenn Ihr jetzt täglich einen Spaziergang von 20 Minuten macht, wird das schon eine große Veränderung auf eure Gesundheit haben. Auch leichtes Krafttraining bzw. leichte Kräftigungsübungen führen dazu, dass unser Körper sich anpasst.

  • Einsteiger: am besten Bewegung und Sport bei leichter bis mittlerer Anstrengung. Das führt zu super Ergebnissen. Es kommt zu keiner Überlastung, und verhindert Muskelkater.
  • Je Trainierter man ist, umso spezieller und evtl. auch intensiver muss die Anstrengung gewählt werden um weiterhin positive Veränderungen herbei zu führen. Das ist aber immer abhängig vom Trainingsziel.

Oft bekomme ich die Rückmeldung, dass Kunden auch nach Wochen nicht das Gefühl haben, dass Sie sich verbessern. Es ist immer noch gleich anstrengend, wie am Anfang. Viele Frustriert so etwas. Die Anpassungsprozesse laufen eben schleichend ab und diese Veränderungen fallen einem meist nicht auf. Aber wie oben beschrieben, kann man sehr schnell anhand objektiver Parameter feststellen, dass man sich verbessert hat. Z.B. wird die Laufstrecke länger.

Machen Sie hierzu folgenden Test. Laufen Sie in leichter bis mittlerer Anstrengung eine bestimmte Strecke. Vielleicht haben Sie einen kleinen Rundlauf im Wald, oder einen kleinen See. Ein Rundlauf empfiehlt sich hier aus 2 Gründen. Jetzt machen Sie nach 4 Wochen, nachdem Sie regelmäßig in dieser Anstrengung gelaufen sind, wieder denselben Lauf. Entweder Sie laufen jetzt die Zeit, die Sie beim ersten Mal gebraucht haben und messen die erbrachte Entfernung (jetzt kann man z.B. sagen, dass Sie 2 Runden anstelle von einer geschafft haben) oder Sie laufen einmal die Strecke und messen weil lange Sie gebraucht haben. Beide Male, davon bin ich überzeugt werden Sie feststellen, dass Ihr Laufen leicht bis mittel anstrengend war, sie aber entweder mehr Strecke oder weniger Zeit gebraucht haben. Sie sind besser geworden!

Damit der Grill nicht zu heiß wird und wir unser Fleisch verbrennen, empfehle ich daher lieber locker zu beginnen als zu intensiv. Es bringt nichts, wenn Sie aus dem nichts heraus 60 Minuten Joggen. Nach 2 Wochen schmerzen die Knie und Sie lassen es frustriert bleiben. Der Grill und das Fleisch sind nur ein Modell zur Veranschaulichung. Der große Unterschied zu unserem Organismus ist, dass unser Gewebe lebt. Und man ihm immer wieder anheizen muss. Den sonst passiert genau das umgekehrte. Unser Körper geht in den Zustand des unsportlichen zurück und verharrt dort. Wir müssen dem Körper immer und immer und immer wieder neue Reize geben. Und zwar überschwellige Reize. Und genau deswegen, wird sportliche Bewegung immer auch mit Anstrengung verbunden sein.

Und jetzt kommt noch das schönste: Wenn wir uns körperlich Anstrengen, dann müssen wir auch Pausen einlegen um zu regenerieren. Das gemeine, die Pause ist nicht unbedingt direkt nach dem Sport aufs Sofa und Beine hoch. Die Pause kommt auch an Schreibtisch und beim Schlafen 😉

 

Merken Sie sich, Bewegung und Sport führt immer irgendwann zu einer Anstrengung. Und diese Anstrengung ist wichtig und richtig. Entscheidend ist, dass das in die Handlung kommen nicht anstrengend ist. Es soll Ihnen leicht fallen, die Schuhe anzuziehen und Laufen zu gehen.

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